Was gemein war, ist kostbar geworden. Was jetzt kostbar ist, war nie gemein. Ich habe das Gemeine immer als kostbar gekannt. Denn was gemein ist, das kenne Ich nicht.
Was grausam war, ist barmherzig geworden. Was jetzt barmherzig ist, war niemals grausam. Ich habe immer Jonas mit Meinem Erbarmen überschattet, und Grausamkeit kenne Ich nicht.
Hast du Mich zu Gesicht bekommen, Jonas, Mein Kind? Erbarmen in Erbarmen in Erbarmen. Ich habe dem Weltall ohne Ende verziehen, denn Ich habe niemals Sünde gekannt.
Was gering war, ist unermeßlich geworden. Was unermeßlich ist, war niemals gering. Ich habe Geringes immer als Unermeßliches gekannt. Reichtümer liebe Ich nicht. Kerker in Kerkern in Kerkern. Sammle dir keine Entzückungen auf Erden, wo die Minuten als Diebe einbrechen. Und klammere dich auch nicht an die Zeit, Jonas, Mein Sohn, auf daß nicht die Ströme dich hinwegtragen.
Was gebrechlich war, ist stark geworden. Das Zarteste habe Ich geliebt. Ich habe das angeschaut, was nichts war. Ich habe berührt, was ohne Wesenheit war, und in dem, was nicht ist, bin ich.
Tautropfen schimmern im Gras wie Saphire, sobald die mächtige Sonne erscheint, und Blätter zittern dem lautlosen Flug einer fliehenden Taube nach.
Thomas Merton
Abschluss des Buches „Das Zeichen des Jona“ (1953)
Der Trappist Thomas Merton wurde in den 60er Jahren zum spirituellen und theologischen Mentor der us-amerikanischen katholischen Anti-Vietnam Bewegung. Auch die Erfahrungen der Bürgerrechtsbewegung unter Martin Luther King haben die Reflektionen Mertons geprägt, und die traditionelle theologische Position entscheidend verändert. In deutsch verfügbar, aber nur auf der „Handbibliothek Christlicher Friedenstheologie“: Merton, Thomas: Gewaltlosigkeit. Eine Alternative. Zürich-Köln 1986.
Vgl. zur Bedeutung Mertons für die katholische friedenstheologische Debatte in den 60er Jahren, gerade auch im Rahmen des II. Vatikanums: https://jimandnancyforest.com/2005/01/foreword-merton/ Jim Forest schließt seinen Beitrag mit den Worten:
„He would remind us once again that Christ waves no flags and that Christianity belongs to no political power bloc. He would affirm once again that “an essential part of the ‘good news’ is that nonviolent and reasonable measures are stronger than weapons. Indeed, by spiritual arms, the early Church conquered the entire Roman world.”