„Anno 1558 ist der Bruder Hans Schmid oder Raiser aus Raissach in der Grafschaft Tirol gelegen, ein Diener des Evangeliums und Apostel Jesu Christi, von der Gemeinde ausgesendet, zum Werk des Herrn, die Eifrigen nach der Wahrheit zu suchen und sammeln. Als er dabei auch göttlich Ursach bekam, in die Niederlande zu ziehen, ist er zu Aachen in der Stadt gefangen worden“,
so beginnt ein langer und ungewöhnlich detaillierter Bericht im „Geschichtbuch der Hutterischen Brüder“ über Ereignisse, die 1558 ganz Aachen erschüttert haben müssen. Über ein Jahr ziehen sich Verhaftung, Folter und Verhöre hin.
Neben den üblichen Fragen nach Taufe und Sakrament werden auch politische Fragen gestellt:
Sie fragten ihn auch der Obrigkeit halben, ob er sie für Christen halt oder nicht. Er saget ihnen: „Erstlich halten wirs für ein Geschöpf Gottes, darnach aber, dass sie von den Pfaffen verführt, unrecht gelehrt und noch nie in die recht christlich Kirchen eingeleibt seien.“ Sie haben ihn auch gefragt, woher die Obrigkeit sei. Er sagt ihnen: „Das Amt und die Gewalt ist von Gott.“
Darnach fragtens ihn, ob sie auch Christen seien. Er antwortet: „Wenn sie sich selbst verleugnen, Allem absagen, das Kreuz auf sich nehmen, der Gewalt und Pracht sich entäußern und Christus nachfolgen, so mögen sie Christen sein. Aber das Amt behalten und Christen sein, das kann nicht sein.“
Trotz solcher Position war nach dem Bericht des „Geschichtsbuches“ der Rat der Stadt gespalten und er war sich auch der Haltung der Stadtbevölkerung nicht sicher. Eine erste Hinrichtung wurde abgebrochen. Kurz vor der Hinrichtung habe Hans Schmid den anwesenden Ratsherren zugerufen, dass „wenn sie sie töten, sie kein ruhig Gewissen mehr haben würden.“ Der Bericht fährt fort:
Da stießen die Herren die Köpf zusammen und ließen das Volk abziehen.
Im Spätherbst 1558 wird zunächst Hans Schmidt doch umgebracht. Er wird erwürgt und dann verbrannt. Drei Tage später werden Heinrich Adam und sein Schwager Hans Weckh ebenfalls erwürgt und verbrannt. Als Datum wird der 21.10.1558 genannt. Von dieser Hinrichtung werden einige Zeichen und Wunder berichtet:
„Ihr sehet, dass Euch Gott mit seiner Gewalt und Wunder entgegen ist und zuwider; noch wütet Ihr und ist kein Buß bei Euch, Gott wird’s gewißlich an Euch ersuchen.“
Am 4.1.1559 folgen Mathias Schmid und Tillmann Schneider in den Tod. Der Bericht im „Geschichtsbuch“ schließt wie folgt:
Hans Schmid hat in seiner Gefangenschaft gar viel schöne Epistel und Trostbriefe geschrieben an die Gemeinde und auch an seine Mitgefangenen, desgleichen auch viel holdselige und geistliche Lieder. Auch sind von seinen Mitgefangenen Lieder vorhanden. Ein Bruder, der sechste, genannt der Werner, der mit ihnen gefangen lag, ist durch viel Hantieren der Gottlosen abgestanden, aber bald zur Gemeinde herein gekommen und hat ernstliche Buße getan. Die sechs Schwestern hat man nach langem Gefängnis und viel Tyrannei mit Ruten ausgestrichen und sie ihres Wegs ziehen lassen. Da sind sie im Frieden Gottes zu der Gemeinde des Herrn herein gezogen. Die von Aachen wurden durch dieser Brüder und Schwestern Standhaftigkeit und Steifheit im Herrn dermaßen erschreckt und überzeugt, dass sie hernach keinem mehr nachfragten, sondern sie öffentlich gehen ließen. Denn es war sie um der Sach eine große Reu angegangen, ins Besondere denen, die daran schuldig gewesen waren. Ohne Zweifel, ihr Gewissen gab ihnen manchen Klopf ans Herz. Nach diesen Ereignissen hat es angefangen, dass viel Volk hin und wieder in den Niederlanden, von Aachen und um Aachen, auch am Rheinstrom, zu Eifer und Besserung ihres Lebens bewegt wurden und herein zogen zur Gemeinde.“
aus: Wolkan,R., Geschicht-Buch der Hutterischen Brüder, Wien 1923 [Nachdruck Canada 1990] 291 – 300
erhalten sind von Hans Schmid 36 Briefe (u.a. Handschrift I, 340 der Universitätsbibliothek in Wien; vgl. ansonsten Hansen,J., Die Wiedertäufer in Aachen und in der Aachener Gegend. In: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 6 (1884) 295-338.